Die AGB-Kollision – ein Zusammenstoß mit Folgen?

Bei Vertragsschlüssen im Business-to-Business-Bereich kommt es sehr häufig vor, dass beide Seiten auf ihre vorbereite­ten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB) verweisen und zur Grundlage des Vertrags machen möchten. So bezie­hen viele Unternehmen standardmäßig bei jeder Bestellung oder Auftragsbestätigung ihre AGB per Verweis ein, drucken diese auf der Rückseite ab oder fü­gen diese gesondert digital oder in Papierform bei. Nimmt ein Unternehmen beispielsweise die Verkäuferrolle ein, so erklärt es seine „Allge­meinen Ver­kaufsbedingungen“ oder „Allgemeinen Lie­ferbedingungen“ für anwendbar, wohingegen es auf Käuferseite auf seine „Allgemeinen Einkaufs­bedingungen“ ver­weist. Oft enthalten solche Klauselwerke außerdem sog. Ausschließlichkeits- oder Abwehrklauseln, die bestimmen, dass nur die eigenen AGB gelten bzw. die AGB der Gegenseite unter keinen Umständen Vertragsbestand­teil werden sol­len. Was bedeutet das konkret für Sie?

1. Die gesetzliche Definition von AGB

§ 305 Absatz 1 BGB entspricht § 1 des ehemaligen AGB-Gesetzes vom 9. Dezember 1976 und definiert „AGB“ wie folgt:

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedin­gungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Ver­tragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

Es kommt also nicht darauf an, dass über vorbereiteten Geschäftsbedingungen „AGB“ oder dergleichen steht, weshalb nicht nur das landläufig als „Kleingedruckte“ Bekannte, sondern auch ganze Muster- und Formularverträge in der Regel der obigen gesetzlichen Definition unterfallen und damit AGB sind.

2. Die sog. Kollision von AGB

Von kollidierenden AGB ist die Rede, wenn bei einem Vertrags­schluss die AGB beider Seiten sich – bewusst oder unbe­wusst – ganz oder teilweise widersprechen. So kann es z.B. vorkom­men, dass das einkaufende Unternehmen sich ein kurzfristiges Kündigungs- oder Rücktrittsrecht vorbehält, z.B. mit ei­ner Frist von zwei Wochen, während das verkau­fende die Lösungsmöglichkeiten des Käufers ausschließt oder an längere Fristen koppelt. Eben­falls weit verbreitet sind bspw. weitreichende Gewährleistungsregelungen zulasten des Verkäufers in Allgemeinen Einkaufs­bedingungen, wäh­rend Verkäufer i.d.R. versuchen, ihre Gewährleistung in ihren eigenen Verkaufsbedingungen möglichst einzuschrän­ken. Von der Kollision einzelner Klauseln zu unterscheiden sind sog. Ab­wehrklauseln in AGB, die von vornherein die AGB der Gegensei­te ganz oder nur soweit sie im Widerspruch zu den ei­genen AGB stehen, ausschließen. In diesem Fall kol­lidieren gewissermaßen die AGB als Ganze (sog. „Battle of the forms“).

3. Folgen einer AGB-Kollision

Wessen AGB gelten im Fall von Widersprüchen zwischen einzelnen Klauseln? Einerseits wird vertreten, diejenigen, auf die einer der Beteiligten zuletzt verwiesen hat („Theorie des letzten Wortes“; „last shot rule“), vgl. § 150 Abs. 2 BGB. Diese „Theorie des letzten Wortes“ gilt in Deutschland mittlerweile als veraltet, überwiegt jedoch im weltweiten Vergleich. Auch das sog. UN-Kaufrecht (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods – CISG) geht gemäß Artikel 19 CISG von ihrer Gel­tung aus.

Dem wird entgegengehalten, dass es dem Parteiwillen normalerweise nä­herkomme, wenn möglichst sämtliche in den AGB beider Parteien übereinstimmenden Regelungen zur Geltung kommen (sog. Prinzip der Kon­gruenzgeltung; „Knockout-Rule“), während die sich widersprechenden Klauseln durch das sog. dispositive Gesetzesrecht ersetzt wer­den. Enthalten die AGB einer Partei Regelungen zu Vertragsmodalitäten, die in den AGB der anderen Partei nicht be­handelt werden, so würden demnach diese ergänzenden AGB-Klauseln der ersten Partei unabhängig davon Vertragsbe­standteil werden, welche Partei zuletzt auf ihre AGB verwiesen hat.

4. Sinn und Zweck von Abwehrklauseln

Die oftmals in AGB anzutreffenden Abwehrklauseln, z.B. „Für den Vertrag gelten ausschließlich unsere AGB. Anders­lautende Bedingungen werden nicht Vertragsinhalt, auch wenn wir ihnen nicht ausdrücklich widersprechen." haben durchaus ihre Daseinsberechtigung. Sie verhindern, dass die AGB des Vertragspartners Vertragsbestandteil werden. Ver­wendet dieser jedoch eine gleichwertige Abwehrklausel, wäre die Folge, dass anstelle der AGB beider Seiten nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften gelten, was freilich nicht unbedingt nachteilig sein muss:

Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

5. Fazit

Bei wichtigen Verträgen sollten die Beteiligten unbedingt darauf achten, jeden für sie wichtigen Punkt auch tatsächlich im Einzelnen auszuhandeln und nicht auf die Geltung ihrer eigenen AGB zu vertrauen. Die individuell vereinbarten Punkte beanspruchen dann gem. § 305b BGB Vorrang gegenüber AGB.

Stand: Dezember 2025.

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